
ADHS im Jahr 2025: Neue Perspektiven aus der personzentrierten Psychotherapie
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist längst nicht mehr nur ein Thema der Kindheit. Immer mehr Erwachsene erkennen, dass ihre inneren Spannungen, ständige Überreizung oder das Gefühl des Andersseins keine persönlichen Schwächen sind, sondern Ausdruck einer neurologischen Besonderheit. Doch wie sieht die Situation 2025 aus – speziell in Österreich? Welche Fortschritte gibt es in der Diagnostik, Therapie und gesellschaftlichen Wahrnehmung?
Ein Blick auf die Zahlen: Was sagen die Fakten?
In den letzten Jahren hat sich das Verständnis von ADHS grundlegend verändert. Schätzungen zufolge leben etwa 4–5 % der Erwachsenen in Österreich mit ADHS – viele davon ohne Diagnose. Laut einer Erhebung der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychologie (ÖGNP) ist die Nachfrage nach Diagnostik und Therapie im Erwachsenenalter seit 2020 um über 20 % gestiegen. Besonders in urbanen Zentren wie Wien zeigt sich ein wachsendes Bewusstsein für das Thema.
Doch hinter diesen Zahlen stehen Menschen mit individuellen Geschichten. Viele Betroffene berichten von einem „Aha-Moment“, oft ausgelöst durch die Diagnose eines Kindes oder durch wiederkehrende berufliche und soziale Herausforderungen. Eine Klientin beschreibt es so: „Ich dachte immer, ich sei einfach chaotisch und faul. Aber als ich verstand, wie mein Gehirn funktioniert, fiel eine riesige Last von mir ab.“
Warum jetzt? Die Entdeckung eines alten Musters
Verbesserte Diagnostik
Moderne diagnostische Verfahren ermöglichen es heute besser denn je, ADHS von anderen Störungen wie Depressionen oder Angst abzugrenzen. In Österreich setzen Fachleute zunehmend auf neuropsychologische Tests und strukturierte Interviews wie das DIVA-5-Interview (Diagnostisches Interview für ADHS bei Erwachsenen). Diese Instrumente helfen dabei, auch subtile Formen der Störung zu erkennen.
Gesellschaftlicher Wandel
Die mediale Präsenz von ADHS hat ebenfalls zugenommen. Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok bieten Betroffenen eine Bühne, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Dadurch wird nicht nur Aufklärung betrieben, sondern auch Stigmata abgebaut. Gleichzeitig hat die Forschung gezeigt, dass ADHS keine „Modeerscheinung“ ist, sondern eine neurologische Besonderheit mit klaren biologischen Grundlagen.
Neurobiologie trifft Lebensumstände: Die Wechselwirkung von Gehirn und Umwelt
ADHS ist nicht nur eine neurologische Besonderheit, sondern auch stark von der Umwelt beeinflusst. Studien zeigen, dass die Struktur und Funktion bestimmter Gehirnregionen – insbesondere des präfrontalen Cortex, der für Impulskontrolle und Aufmerksamkeit zuständig ist – bei Menschen mit ADHS anders ausgeprägt sind. Diese Unterschiede führen zu einer veränderten Regulation von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin. Doch wie diese neurologischen Besonderheiten im Alltag zum Tragen kommen, hängt stark von äußeren Faktoren ab.
Eine unterstützende Umgebung kann dabei helfen, die Symptome zu mildern. Zum Beispiel profitieren Kinder und Erwachsene mit ADHS von klaren Strukturen, regelmäßigen Routinen und einem Umfeld, das ihre Stärken wie Kreativität oder Problemlösungsfähigkeit fördert. Umgekehrt können belastende Lebensumstände wie chronischer Stress, familiäre Konflikte oder ein unpassendes Arbeitsumfeld die Symptome verstärken. Diese Wechselwirkung erklärt auch, warum ADHS-Symptome in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können – etwa in Zeiten hoher Anforderungen (z. B. Schulwechsel, Berufseinstieg) oder hormoneller Veränderungen.
Therapieansätze: Was hilft wirklich?
Medikamentöse Behandlung
In Österreich stehen Medikamente wie Methylphenidat (z. B. Ritalin), Lisdexamphetamin (Elvanse) und Atomoxetin (Strattera) zur Verfügung. Diese Substanzen zielen darauf ab, die Dopamin- und Noradrenalinregulation im Gehirn zu verbessern – zwei Neurotransmitter, die bei ADHS eine zentrale Rolle spielen.
Ein Problem bleibt jedoch: Der Zugang zu diesen Medikamenten ist streng reguliert, da Stimulanzien nur mit einem Suchtgiftrezept verschrieben werden dürfen. Dies erschwert insbesondere in ländlichen Regionen den Zugang zur medikamentösen Behandlung.
Psychotherapie: Mehr als nur Gespräche
Die personzentrierte Psychotherapie hat sich als besonders hilfreich erwiesen, da sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt – mit all seinen individuellen Erfahrungen und Bedürfnissen. Konkrete Ansätze umfassen:
- Neu-Narrativierung: Die eigene Lebensgeschichte wird neu interpretiert – frei von Schuldzuweisungen.
- Embodiment: Körperorientierte Übungen fördern den Zugang zum eigenen Erleben.
- Ressourcenarbeit: Die positiven Aspekte von ADHS – Kreativität, Intuition und Schnelligkeit – werden gezielt gestärkt.
Eine Klientin beschreibt es so: „Die Therapie hat mir geholfen zu sehen, dass ich nicht defizitär bin – ich bin einfach anders.“
Frauen mit ADHS: Die unsichtbare Gruppe
Frauen mit ADHS werden oft übersehen, da ihre Symptome subtiler sind als bei Männern. Während Männer häufiger durch Hyperaktivität auffallen, zeigen Frauen oft Perfektionismus oder Rückzugstendenzen. Eine Studie der MedUni Wien (2024) zeigt, dass Frauen durchschnittlich fünf Jahre später diagnostiziert werden als Männer.
Besonders hormonelle Faktoren spielen hier eine Rolle: Schwankungen des Östrogenspiegels können Symptome verstärken – etwa während des Menstruationszyklus oder in den Wechseljahren. In Österreich wird daher zunehmend an zyklusadaptierter Medikation gearbeitet.
Männliche ADHS |
Weibliche ADHS |
Hyperaktivität |
Inneres Getriebensein |
Impulsivität |
Überanpassung, Perfektionismus |
Risikoverhalten |
Selbstzweifel, Rückzug |
Diagnosealter Ø 12 |
Diagnosealter Ø 16-40 |
ADHS im Berufsleben: Herausforderung und Chance
Im Berufsleben zeigt sich ADHS häufig in Form von Überforderung, Prokrastination oder Konflikten mit Kolleg:innen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) berichten 78 % der Betroffenen von Schwierigkeiten am Arbeitsplatz.
Doch es gibt auch positive Seiten: Viele Menschen mit ADHS zeichnen sich durch Kreativität, schnelle Problemlösungsfähigkeit und hohe Intuition aus. Unternehmen beginnen zunehmend, diese Stärken zu erkennen und Arbeitsumfelder anzupassen – etwa durch flexible Arbeitszeiten oder digitale Tools zur Strukturierung.
Ein Ausblick auf die Zukunft
Die Behandlung von ADHS wird immer individueller. Internationale Richtlinien wie die APSARD-Empfehlungen (2025) setzen neue Standards:
- Zyklus-adaptierte Medikation
- Trauma-informierte Therapieansätze
- Hormonell sensitive Psychoedukation
In Österreich liegt der Fokus darauf, die Versorgung weiter auszubauen – insbesondere in ländlichen Regionen und für Frauen.
Ein persönliches Wort
Wenn Sie diesen Text lesen und denken „Das bin ja ich“, dann ist das kein Zufall. Ihr Gehirn ist kein Fehler – es ist ein einzigartiges System voller Möglichkeiten. Vielleicht braucht es nur den richtigen Ansatz, um sein volles Potenzial zu entfalten.
Im Gesundheitszentrum Carpe Diem, das Psychotherapie sowohl in Linz als auch in Schwechat anbietet, können Sie professionelle therapeutische Unterstützung und Begleitung finden, um Ihre AD(H)S besser zu verstehen und damit umzugehen.
Für mehr Informationen oder zur Terminvereinbarung können Sie direkt Kontakt aufnehmen: https://www.carpediem-linz.at/kontakt.html.